Second Unit #320 – Joker

Kino-Zeit! Mit Tamino geht es in dieser Ausgabe um den jüngsten Streich aus dem Hause DC. Joaquin Phoenix spielt sich als Joker (Amazon-Link*) alle Kraft aus dem Körper, aber reicht das schon? Braucht es diesen Film überhaupt?

[YouTube Direkttrailer]

Regie und Drehbuch stammen von Todd Phillips, der letzteres zusammen mit Scott Silver geschrieben hat. In der titelgebenden Hauptrolle spielt Joaquin Phoenix als Arthur Fleck. Daneben sind Robert De Niro als Murray Franklin, Zazie Beetz als Sophie Dumond und Frances Conroy als Penny Fleck dabei.

Wir haben so unsere Probleme mit dem Film. Vor allem mit Phillips und seinem kompletten Unverständnis für seine eigene Geschichte. Phoenix spielt hier zwar brillant, aber in einem recht inhaltsleeren Film. Wir suchen daher nach Motiven und haben auch dort so unsere Schwierigkeiten. Zum Schluss fragen wir uns, ob der Ansatz hinter dem neuen DC Black Label eigentlich funktionieren kann.

Nächste Woche geht es dann endlich mit der Superhero Unit weiter. Wir besprechen dort dann Iron Man (Amazon-Link*) und legen mit dem MCU los.

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Christian Steiner
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Tamino Muth

[Teaser-Bild: “Partyman” by JD Hancock is licensed under CC BY 2.0]

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12 Kommentare

  1. Also mir hat der Film besser gefallen, als Euch beiden, wie mir scheint. Allerdings habe ich auch nichts über den Regiseur oder den Film im Allgemeinen im Vorfeld gehört. Für meinen Geschmack scheint Christian mit der ganzen Bürde des Wissens um die Diskussionen und den Regisseur in den Film gegangen zu sein, da hatte ich wohl einen Vorteil.

    Grundsätzlich würde ich sagen: Missbrauch und die Umstände der Kindheit müssen nicht zu einem Amokläufer oder der Figur des Jokers führen. Nicht jeder der das erlebt, wird zum Joker. Und genau weil das so ist, ist es eben auch keine Entschuldigung für Arthur, dass er zum Joker wird. Dies rechtfertig nicht seine Taten. Mein Eindruck ist, dass der Film dies auch nicht tut, sondern eine Erklärung anbietet, wie der Joker entstanden ist.

    Auch habe ich den Mord am dritten Mann in der U-Bahn anders gesehen. Es ging darum, einen Zeugen auszuschalten und nicht der Mordlust willen. Ich lese den Film so, dass Arthur hineinschlittert. Das entschuldigt es nicht, aber er ist auch nicht derjenige, der als Kind schon wusste: Später werde ich mal das Böse selbst.

    Meine Interpretation des Films ist in etwa so: Arthur wollte sein ganzes Leben lang geliebt werden oder zumindest Anerkennung bekommen, er wollte die Menschen bewegen und glücklich machen, darum spielt er den Clown und meint Comedian zu werden. Die Tötung der drei U-Bahnfahrer setzt eine Kette in Gang, wobei die Medien und Thomas Wayne dazu beitragen, diese Morde neu zu framen und politisch zu interpretieren; obwohl sie es gar nicht waren, wie wir wissen. Und ganz zum Schluss, auf der Straße mit der plündernden Meute, findet er endlich die Anerkennung, die er immer gesucht hat, darum wendet er sich auf die böse Seite. So gesehen, haben ihn die Leute zum Joker gemacht.

    Ein zweiter Aspekt: Ich verstehe den Film so: Er wollte den Talkshow-Host nicht umbringen, sondern sich selbst. Bei dem was er zuvor einstudiert, geht die Pistole immer zu seinem Kopf und nicht in Richtung Host. Für mich ändert er den Plan in dem Moment, als der Host (De Niro), das Video erneut abspielt. Aber das kann auch eine falsche Interpretation sein, denn wir wissen auch, dass er ein „False Narrator“ ist.

    (Keine Ahnung ob diese Ideen eine zweite Sichtung überleben.)

    Meine Freundin kennt The Dark Knight gar nicht und ist auch keine großer Auskenner in der Comicwelt. Letzteres würde ich auch von mir sagen, das ganze MCU-Zeug habe ich ignoriert. Für sie hat der Film aber trotzdem funktioniert. Als Drama, als Studie … für sie ging es in dem Film ums Mobbing (Bullying) und die Folgen davon. Arthur wurde gemobbt, von den Kinder auf der Straße, von seinen Kollegen, vom Talkshowhost. Das finde ich eine interessante Sicht. Sie hat es noch mit einer weiteren Sicht verknüpft: Joker ist im Kartenspiel eine Karte, die für jede andere Karte stehen kann. Das ist auch ein Aspekt, über den ich noch mal nachdenken werde.

    1. Interessante Ansätze, vielen Dank dafür.

      Wie er den dritten Mann tötet, erscheint mir in meiner Erinnerung allerdings schon von Gefühlen geprägt im Gegensatz zu einer rein berechnenden Zeugenbeseitigung. Ich denke, ich würde das eher als eine für ihn (auf perverse Art) katarthische Erfahrung beschreiben, weil er sich zum ersten Mal gegen die Welt um ihn herum auflehnt und damit endlich selbst zum Akteur wird. Die Szene beginnt ja mit ihm als manisch lachendem Nervenbündel, weil er wie üblich vollkommen ängstlich und eingeschüchtert ist. Danach ist er zum ersten Mal „empowered“, was der erste Schritt in Richtung des letzten Akts ist.

  2. Hey Christian und Tamino!

    Entschuldige noch mal die Wall of Text bei Twitter. Ich dachte, ich krieg das in 5 Tweets oder so hin. Der Film ruft aber so viele Gedankenansätze hervor, dass ich schon allein deshalb den Film nicht als platt bezeichnen würde ;)

    Also: Ich bin verwirrt. Einerseits kritisiert ihr, dass die Biographie Arthurs hin zum Joker stereotyp und „Küchenpsychologie“ sei. Dass es fraglich sei, ob diese Biographie voller Zurückweisung, Bindungsproblemen und psychischer Störungen typisch für Amokläufer ist. Und dann sagt ihr, ihr braucht mehr als „I‘ve had a pretty bad day lately“. Ich verstehe das alles nicht so richtig.
    Was ich verstehe ist, dass Arthurs Biographie stereotyp wirken kann. Ich meine, was ihm alles in seinem Leben passierte, von Misshandlung im Kindesalter, über die neurologische Störung, die ihn zum Außenseiter macht, über Depressionen und Einsamkeit bis hin zum Verrat durch seine einzige Bindungsperson… das lässt an Klischees denken. Aber Klischees über psychische Entwicklung haben oft einen wahren Kern. Auch hier. Und: das alles ist doch wesentlich mehr als „ich hatte einen schlechten Tag“. Daher interessiert es mich, was es konkret ist, das euch fehlt.

    Meines Erachtens ist die psychologische Entwicklung des Jokers eine plausible Darstellung des Befunds, dass immer Nature und Nurture eine Rolle spielen. Sein Gewaltexzess begann aus einer Verteidigungshaltung heraus, für die er zunächst negative, später durch seine Anhängerschaft positive Verstärkung erhielt. Das, plus seine Biographie, macht sein späteres Verhalten erklärbar. Nicht aber entschuldbar. Das muss m.E. unbedingt differenziert werden.

    Ich finde, der Film macht einen Punkt deutlich, den die Sozial- und Forensische Psychologie seit langem weiß: DAS Böse gibt es nicht. Wir sind alle, ausnahmslos, zu „bösen“ Handlungen fähig. Durch die Darstellung der Biographie Arthurs (dem ja wirklich nur grausame Dinge widerfahren), geht der Film einen recht konservativen Weg, denn die Schwelle bis zum Gewaltexzess liegt dadurch sehr hoch. Bei ihm reicht eben nicht nur der schlechte Tag. Es kommen sehr viele Dinge zusammen, bis es letztlich zur Gewalt kommt. Nicht wie bei Alex DeLarge, der aus Langeweile tötet.

    Was man viel mehr kritisieren sollte als die Darstellung der Jokergenese ist m.E. seine Anhängerschaft, die seine Taten unreflektiert glorifiziert. Die Verantwortung für seine Taten liegt bei Arthur selbst. Die Verantwortung für den Weg dahin aber nicht nur. Und das ist es, was der Film für mein Empfinden gut deutlich macht.

    Ich hab jetzt noch mal ein bisschen weitergehört und möchte noch loswerden:
    Arthur ist von Beginn des Films an psychisch krank. Er leidet mindestens unter Depressionen, bekommt Psychopharmaka. Offenbar hat er 40 Jahre lang als unbescholtener Bürger gelebt. Erst als er die Wirkung des immer korrupter werdenden kapitalistischen Systems am eigenen Leib zu spüren bekommt (seine Therapie und Medikamente werden gestrichen, Gotham verkommt), beginnt die Abwärtsspirale. Seine psychische Entwickung und der Kapitalismus hängen unmittelbar miteinander zusammen, und letzterer kann als Mitauslöser für seine Gewalttaten verstanden werden. Deshalb zeigt der Film für mein Empfinden nicht auf Personen mit psychischen Störungen, sondern auf uns alle als Teil eines kapitalistischen Systems (und insbesondere die, die die Fäden in der Hand halten). Das ist doch letztlich das Narrativ von Batman insgesamt: Gotham bringt „das Böse“ hervor. Batman und Joker bedingen sich gegenseitig.

    1. Vielen Dank für deinen ausführlichen Post.

      Ich möchte zunächst bemerken, dass ich den Film natürlich erst einmal gesehen habe und emotional auch schwer mit ihm connecten konnte. Außerdem fiel mir es hier aus irgendeinem Grunde besonders schwer, meine Gedanken vernünftig zu ordnen. Ich habe nach wie vor immer noch keine sonderlich starke Meinung zu dem Film. Aber ich fand ihn definitiv nicht schlecht. Eher Attribute wie etwas merkwürdig oder durchwachsen würde ich hier anbringen wollen. Viele einzelne Aspekte gefielen mir durchaus, nur das Gesamtpaket scheint sich mir nicht stimmig zusammenzufügen.

      Zu deinem ersten Punkt würde ich sagen, dass mich hier vor allem stört, dass ich den Punkt, den Film mit der Entwicklung der Figur des Jokers machen will (wenn er denn einen machen will), nicht verstehe. Dass jemand, der sein ganzen Leben lang von gefühlt jedem Menschen in seinem Umfeld mies behandelt wird, kein normaler Mensch mehr sein wird, sollte ja selbstevident sein. Aber was ich aus dieser Figurenzeichnung in Hinsicht auf unsere Gesellschaft ziehen soll, begreife ich nicht. Das hatte ich versucht, in der Episode zu verdeutlichen: Ich denke nicht, dass unser Problem in der Gesellschaft vor allem an solchen extremen Fällen hängt. Was mich weitaus mehr interessiert ist, wie Menschen, die psychisch noch „relativ normal“ konstituiert sind, sich entschließen, solche Taten zu begehen (In der Episode spreche ich das ungefähr bei 1 Stunde, 17 Minuten an).Vielleicht will der Film das auch gar nicht explizit thematisieren. Ich kann aber zumindest festhalten, dass mir die psychologische Dimension des Jokers nicht als sonderlich fruchtbar für eine filmische Auseinandersetzung zu sein scheint, da die Figur anscheinend ihr ganzes Leben von allen Seiten und allen Mitmenschen nur angefeindet, erniedrigt bis hin zu misshandelt wurde. Das ist mir einfach zu übertrieben und vor allem zu eindimensional. Vielleicht sollte man den Film mehr als Groteske sehen. Das würde ihm in der Hinsicht womöglich helfen, aber dafür schien er mir an anderen Stellen dann doch wieder zu „grounded“ zu sein (anders als ein Clockwork Orange z. B., der permanent auf einer sehr grotesken Ebene fungiert).

      Zur Verbindung der Figur des Jokers zu der politischen, anscheinend kapitalismus-kritischen Ebene des letzten Akts, scheint mir deine Interpretation doch recht wohlwollend zu sein. Zumindest hat mir das Absetzen der Medikamente (das der Joker ja zudem später auch noch als etwas positives darstellt) und die sehr vage Darstellung des immer weiter verkommenden Gothams überhaupt nicht gereicht, um diese politische Ebene mit in den Film integrieren zu können. Zudem sind ja einfach alle Menschen mies zu ihm, schichtübergreifend sozusagen. Daher habe ich das Finale des Films eigentlich nur als einen persönlichen Rachefeldzug des Jokers empfunden. Er will gehört werden und der Welt das zurückgeben, was sie ihm angetan hat. Dass er drei reiche Mistkerle in der U-Bahn und einen erfolgreichen Talkshow-Host, die letztendlich zufällig der Oberschicht angehört haben, tötet, hat doch nichts mit Kritik am System zu tun. Er hätte genauso gut die Kids, die ihm das Schild übergezogen haben, die Frau im Bus vom Beginn des Films oder seinen Arbeitgeber erledigen können. Und mit seinem Arbeitskollegen macht er das ja sogar.

      Was ich sagen will: Die Taten des Jokers werden von der anonymen Masse erst politisiert. Der Joker selber erschient mir völlig a-politisch. So weit, so gut, nur: Was genau will mir der Film damit sagen? Zumindest scheinen mir dieser kapitalismus-kritische Aspekt oder die Thematik der Idolisierung von Verbrechern/Terroristen (wie z. B. in Natural Born Killers verarbeitet) überhaupt nichts mit der psychologischen Dimension der Figur des Jokers zu tun zu haben. Oder übersehe ich hier einen wichtigen Zusammenhang? Ich bekomme das jedenfalls nicht unter einen Hut.

      Wie gesagt, ich bin gerne bereit, mich in Bezug auf diese Aspekte umstimmen zu lassen. Ich verstehe den Film einfach immer noch nicht so richtig und daher fällt es mir schwer, hier eine elaborierte Meinung zu entwickeln.

  3. Ich habe das Gefühl, dass ihr euch zu sehr mit der Blaupause eines Terroristen aufhält , nicht mit dem Joker selber. Arthurs Erfahrungen führen eben dazu , sich nicht für ein größeres Ganzes zu opfern , sondern alles zu verneinen. Daher ist es bedeutsam , dass er auf allen Ebenen die Verbindungen zur Gesellschaft verliert. Nicht nur die Reichen , auch seine Mitarbeiter und „Klassen“ Kollegen entfernen sich von ihm , so dass es ihm am Ende egal ist , ob er ein politisches Symbol für eine politische Schicht ist. Alles wird subjektiv und auf das Individuum zurück geworfen. Gesellschaft als ganzes wird vom Joker verneint , genauso wie alle politischen Systeme , weil der Mensch nicht für die Gemeinschaft sich eignet. Man kann nach Nietzsche auch soweit gehen , das Gesetze , Werte und Normen nur deshalb vorhanden sind , um den Stärkeren in Schach zu halten. Nachdem sich Arthur selbst und die Absurdität des Lebens erkannt hat (wieder ähnlich Nietzsche) wirft er diese Ketten ab und berauscht sich an seiner neuen Freiheit. Kurz gesagt also : der Film handelt nicht von einem klassischen Terroristen , sondern von dem Joker

  4. Ich weiß nicht was diese mühselige Diskussion über den „gewalttätige, junge, weißen Mann“ als Täter sollte. Ich kann auch selbst Nachrichten gucken. In den amerikanischen Medien wird dies auch gerne verwendet, um andere Probleme zu verschleiern. Wie dem Rassismus in der Gesellschaft und der Verbreitung von Waffen. Oder der Vorwand „Mental Illness“. Will nicht sagen, dass es die nicht auch solche Täter gibt. Aber Schizophrene und andere Kranke sind viel mehr Opfer als Täter.
    Radikalisieren sich Menschen wirklich nur über das Internet? Sind das nur leere Gefäße? Die Mutter vom Halle Attentäter laberte auch später:

    „Auch seine Mutter lässt im Interview mit SPIEGEL TV erkennen, dass sie an antisemitische Verschwörungstheorien glaubt. „

    https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/eisleben-und-der-antisemitismus-wo-der-attentaeter-von-halle-herkam-a-1292629.html
    In anderen Kontexten ist der „gewalttätige, junge, weißen Mann“, vor allem in den US-Medien, kein Problem. Wie wenn ein Polizist jemanden erschießt oder beim Militär. Dann kriegt man so Statements wie von Buttigeig nach dem Anschlag in El Paso:
    https://uploads.disquscdn.com/images/0bd2764d64ed9ec21beb89615310fd8af287cf871a56a694e0abe7ee7b98276b.png
    Bei der Polizei wird in den Medien nur deren Sicht aufgegriffen:
    https://citationsneeded.libsyn.com/episode-54-local-crime-reporting-as-police-stenography

    But what if publishing police department press releases isn’t really journalism, but rather free public relations for an already extremely powerful, routinely violent, often corrupt and deeply conflicted institution? What if the genre of so-called “crime’ reporting is inherently reactionary and the whole enterprise of how we think about “crime” needs to be deconstructed and reconsidered?

    Da empfehle ich dringend den Podcast Running from Cops über die TV-Show Cops.
    https://www.topic.com/runningfromcops
    Diese Show ist nur Propaganda für den Krieg gegen Drogen. Da ist Gewalt nötig und in Ordnung.

    Und der Typ in Aurora hat sich nicht als Joker verkleidet.

    https://www.vanityfair.com/hollywood/2019/10/joker-aurora-shooting-rumor

    “Of course the crazy-hair-colored guy who shot up the Batman premiere thought he was the Joker, of course!” Brauchler added. “And yet it has no connection to reality.” (Kelly did not respond to requests for comment.)

    Dein Argument ist da schlicht falsch.
    Ihr macht auch keinen Unterschied zwischen struktureller und körperlicher Gewalt. Wenn ihm die Medikamente gestrichen werden, ist das nicht Gewalt? Dann kommt aber eine andere Frage auf: Will der Staat nur Gutes mit dem Wohlfahrtstaat oder will er nur Monster im Zaun halten? Das führt aber zu weit.
    Das andere ist natürlich politische Gewalt. Das ist vor allem in Europa der Fall. In Amerika ist Gewalt individuell. Um genau diese hat sich das Klischeebild vom einsamen Wolf entwickelt. Man kann auch sagen, sie seien politisch motiviert und überhaupt nicht einsam. Ein Netzwerk züchtet gezielt diese Terroristen.

    Rassismus hatte ich schon angesprochen. DIe Schießerei in der Metro ist eine klare Anspielung auf Bernhard Goetz.
    https://en.wikipedia.org/wiki/1984_New_York_City_Subway_shooting
    Die Opfer waren da aber schwarz. Ist Joker eine Welt ohne Rassismus? In den 1980ern war das mit Crack und „Mexican Marijuana“ eine Komponente, die enorm für Paranoia sorgte. So ein Typ wie Tony Montana lauerte da an jeder Ecke. Dieser Faktor spielt im Joker keine Rolle. Würden wir in so einer Welt alle verbrüdern und gegen die Klasse der Waynes auflehnen? Joker ist einer der wenigen Filme, welche das Thema Klasse ansprechen. Aber dann nur, nach Engels, sehr vulgär. „Kill The Rich.“ Ja, das einzige mal wo man die „Unterschicht“ sieht, ist wo Arthur zusammengeschlagen wird. Das ist kein politischer FIlm.

    Was ihr nicht angesprochen habt: Während die Stadt um die Ohren fliegt, kucken die Reichen im Kino Moderne Zeiten von Chaplin. Ein Film wo Chaplin mit einer roten Fahne wedelt. Aber der Tramp ist auch dort nicht politisch, im Gegensatz zu Der Große Diktator und Chaplin selbst. Die Parallelen zwischen Moderne Zeiten und Joker sind eigentlich interessant. Beide greifen die Veränderungen der Wirtschaft auf. Bloss einer will irgendwie bestehen und der andere alles zerstören.

    Und das mit Bruce fand ich auch nervig.
    Und mal die Differenz zwischen Anarchie und Chaos nachschlagen.
    Die Diskussion um den Film ist interessanter als der Film.
    CiaoCiao

  5. Also ich mag euch ja wirklich gerne und höre euch auch selbstverständlich gerne zu wenn euch ein Film gefällt und mir nicht oder andersherum. Aber die Richtung, in welche der Podcast hier über eine Stunde lang eskaliert ist, hat mich doch stark verwundert. Vor allem Christian scheint aufgrund einer vorgefestigten Meinung hier etwas gesehen zu haben, was leider nur an der Oberfläche kratzt und dem Gesamtwerk nicht gerecht wird.

    Zuerst zum Film: Ich fand ihn sehr gut, aber kein Meisterwerk. Das Schauspiel von Phoenix ist grandios, aber das Drehbuch hatte so einige Schwächen. Die Musik war auch packend, aber so einige Sachen wie den Tod der alten Waynes hätte ich nicht gebraucht.

    Nun zu eurer Diskussion: Ja, Todd Philips hat echt schlechte Filme gemacht. Sein vergangener Film vor diesem hier war aber ‚War Dogs‘ und der war sehr lustig, wenn auch nicht ganz so basierend auf einer wahren Begebenheit, wie er gerne vermittelte.

    Aber dieser Film – und vielleicht weiß es Philips nicht einmal – ist ein hochpolitischer Film. Der Schurke des Films ist die Austerität. Sie führt dazu, dass arme Leute arm und mittellos bleiben und kranke Menschen wie er in den Wahnsinn getrieben werden. Beim neu-linken ‚Jacobin Radio‘ haben sich zwei Sozialisten auch drüber unterhalten und meinten, dass sie es fast schon zu plump fanden, wie das politische Thema in dem Film immer wieder eine Rolle spielte:

    https://player.fm/series/jacobin-radio-2486257/austerity-created-the-joker-with-connor-kilpatrick

    Die Schlüsselrolle ist dabei die letzte gemeinsame Szene mit der Sozialarbeiterin. Sie, eine Afroamerikanerin (von den 1930er bis in die 1970er Jahre war der Staatsdienst eine Möglichkeit für diese Minderheit, sozial aufzusteigen) sagt ihm, dass ihnen die Mittel gekürzt wurden. Sie ergänzt dann noch, dass er (also der Joker) denen (da oben) egal ist – und sie selbst ist es wahrscheinlich auch. Es gibt so Vieles, was sie trennt (schwarz/weiß, Frau/Mann) – aber ihnen gemeinsam ist, dass sie zu den 99 % zählen und die Austerität aber vor allem den 1 % dient.

    Vielleicht ist Philips ein Arsch und vielleicht hat er das gar nicht so beabsichtigt. Aber er hat heute – nach drei Jahrzehnten Austeritätspolitik und in den USA mit einer enorm polarisierten politischen Landschaft – im US-Hollywood-Kino einen sozialistischen Film geschaffen und das finde ich, ist sehr gut.

    1. Um Christian dann mal etwas zur Seite zu springen, da ja hier des öfteren mehr oder minder anklang, dass er mit einer stark vorgefertigten Meinung in den Film gegangen sei: Ich kann seine Punkte der Kritik am Film weitaus mehr verstehen bzw. teilen, als so richtig daran glauben zu können, was hier anscheinend alles an politischen und sozialen Aspekten in diesem Film verarbeitet sein soll.

      Allein was du hier jetzt aus den zwei Szenen mit der Sozialarbeiterin ableitest, ist doch – wenn überhaupt – sehr wohlwollend interpretiert. Du nennst das sogar „Schlüsselszene“. Das ist das einzige Element im Film, was sich in irgendeiner Weise mit staatlichen Sparmaßnamen befasst. Und das macht den Film damit zu einem sozialistischen Statement? Na ja, ich weiß ja nicht. Für meinen Geschmack würde ich tatsächlich ganz im Gegenteil sagen, dass man die beiden Szenen mit der Sozialarbeiterin auch hätte streichen können, und der Film so gut wie der gleiche wäre. Ich habe es bei der Sichtung zumindest nicht im mindesten so empfunden, dass die Streichung der Medikamente ein sonderlich wichtiger Punkt in Arthurs Entwicklung gewesen wäre. Er ist in meiner Erinnerung sowohl vorher als auch danach einfach völlig wahnsinnig. Das hatte mit den Medikamenten jetzt eher weniger zu tun. Und am Ende sagt er sogar, dass ihm die Streichung der Medikamente gut getan hätte, da er nun endlich wirklich er selber sein könne. Wie passt das denn dann bitte mit dem Aspekt der Austerität zusammen? Ich könnte da genau so draus lesen, dass der Film kritisiert, dass mentale Probleme von staatlicher Seite einfach mit Medikamenten unterdrückt werden, was dann ein vollkommen anderer Aspekt wäre. Ich werde da, wie bei so ziemlich allen anderen Themen im Film, einfach nach wie vor nicht schlau draus.

      Sollte ich den Film nochmal irgendwann schauen, dann werde ich auf derlei Aspekte mehr achten, aber ich kann mir doch eher schwer vorstellen, dass sich meine Meinung stark ändern wird. Selbst wenn hier noch zig vielleicht gehaltvolle Aspekte angerissen würden, so sehe ich einfach nicht, wie dieser Film insgesamt ein in sich stimmiges Gesamtbild ergeben sollte. Zumindest ich persönlich habe einfach andere Ansprüche an einen Film in Bezug auf Entwicklung und Verarbeitung seiner Inhalte. Hier sehe ich bestenfalls ein wildes Potpourrie an möglicherweise an sich ergiebigen Themen, von denen keines vernünftig zur Geltung kommt. Wenn anscheinend andere Leute hier mehr draus ziehen konnten, ist das ja eine durchhaus schöne Sache, nur zu mir hat der Film ehrlich gesagt in keiner inhaltlichen Dimension gesprochen. Es war für mich eigentlich größtenteils nur eine Acting-One-Man-Show, die ich in der Hinsicht bis zu einem gewissen Punkt genießen konnte.

  6. Hallo zusammen,
    ich bin mir relativ sicher, dass Arthur nicht als Kind misshandelt wurde. Seine Mutter war ihm immer eine gute Mutter und hat auch nicht gelogen. Sie sagte immer die Wahrheit. Das sieht man am Ende des Films, wo der Joker ein Bild seiner Mutter findet, wo ein T.W. (Thomas Wayne) ihr eine Liebesbotschaft drauf geschrieben hat. Also ist Arthur der Bruder von Bruce, seine Mutter sagte die Wahrheit und Thomas Wayne hat gelogen. Zum Mörder seiner Mutter wurde er also nicht, weil er misshandelt wurde, sondern weil er den Lügen eines reichen Sacks geglaubt hat, der nur seine eigene Haut retten wollte. Die Akten müssen gefälscht worden sein. Das fand ich eine gelungene Wendung.
    Viele Grüße, Sonja

    1. Wenn das im Film echt so gemeint war, dann habe ich das bei der Sichtung tatsächlich überhaupt nicht verstanden. Vielen Dank für die Info.

      Also sind Batman und der Joker jetzt Brüder. WTF…

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